Michelle Pasturo

Schwarz. Farbgeschichte

© Editions du Seuil, 2008 und 2011

© Norton Simon Art Foundation, Geschenk von Mr. Norton Simon

© N. Kulish, per. aus dem Französischen, 2017

© New Literary Review LLC, 2017

Vielen Dank

Diese Version meiner schwarzen Sozial- und Kulturgeschichte war, bevor sie die Form eines Buches annahm, Gegenstand mehrjähriger Seminare, die ich an der Praktischen Höheren Studienschule und an der Höheren Schule für Sozialwissenschaften unterrichtete. Und ich danke allen meinen Studierenden und Zuhörern für den fruchtbaren Meinungsaustausch während unserer gemeinsamen Arbeit.

Ich bedanke mich auch bei allen Menschen in meinem Umfeld - Freunden, Verwandten, Kollegen - die mir mit ihren Kommentaren, Ratschlägen und Vorschlägen geholfen haben, insbesondere Pierre Bureau, Yvonne Casal, Claude Cupri, Marina Escola, Philippe Fago, Francois Jaxon, Philippe Junot, Laurence Kleiman, Maurice Olender und Laura Pastouro. Dank auch an Claude Henard und ihre Mitarbeiter bei Seuil Publishing: Caroline Fuchs, Caroline Chambeau, Karine Benzaquin und Frédéric Mazuy.

Und schließlich sage ich ganz herzlich Claudia Rabel, die mir nicht zum ersten Mal mit Rat, subtiler Kritik und strengem und effizientem Korrekturlesen des Textes geholfen hat.

Einführung

Farbe im Spiegel der Geschichte

Wenn wir gefragt werden: "Was bedeuten die Wörter 'rot', 'blau', 'schwarz', 'weiß'?", dann können wir als Antwort natürlich auf Objekte der entsprechenden Farbe zeigen. Aber darüber hinaus geht unsere Fähigkeit, die Bedeutung dieser Worte zu erklären, nicht.

Auf die Frage: "Was bedeuten die Wörter rot, blau, schwarz, weiss?" can wir freilich gleich auf die Dinge zeigen, die so gefärbt sind. Aber weiter geht unsere Fähigkeit die Bedeutungen dieser Wörter zu erklären nicht.

Ludwig Wittgenstein. Anmerkungen zur Farbe / Ludwig Wittgenstein. Bemerkungen über die Farben, I. 68

Vor einigen Jahrzehnten, zu Beginn des letzten Jahrhunderts oder sogar in den fünfziger Jahren, mag der Titel unseres Buches einige Leser überrascht haben, die nicht daran gewöhnt waren, schwarz zu betrachten. Heute ist die Situation anders: Kaum jemand wird bestreiten, dass Schwarz eine Farbe ist. Schwarz hat den Status zurückerlangt, den es Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende lang innehatte, den Status einer Farbe im wahrsten Sinne des Wortes und sogar den Machtpol in allen Farbsystemen. Wie sein Pendant Weiß, mit dem es jedoch keineswegs immer in Verbindung gebracht wurde, verlor Schwarz in der Zeit, die am Ende des Mittelalters begann und bis ins 17 erschienen - Text und Bild in schwarzer Farbe auf weißes Papier aufgetragen - haben diese beiden Farben eine Sonderstellung eingenommen; und dann führten die Reformation und der wissenschaftliche Fortschritt sie über die Welt der Farben hinaus. Als Isaac Newton 1665-1666 das Farbspektrum entdeckte, schuf er damit eine neue Farbordnung, in der weder Weiß noch Schwarz mehr Platz haben. Dies ist eine echte Revolution in der chromatischen Farbaufteilung.

Seit mehr als drei Jahrhunderten werden Schwarz und Weiß als „Nicht-Farben“ wahrgenommen und verwendet, das heißt, sie bilden zusammen eine eigene Welt, die der Welt der Farben gegenübersteht: „Schwarz und Weiß“ einerseits einerseits, „Farbe“ andererseits. In Europa ist diese Opposition seit einem Dutzend Generationen natürlich, und obwohl sie heute praktisch nicht mehr verwendet wird, finden wir sie immer noch nicht absurd. Aber unsere Wahrnehmung hat sich verändert. Begonnen hat alles mit den Künstlern der 1910er Jahre, die nach und nach zu dem vollen chromatischen Status von Schwarz und Weiß zurückkehrten, den sie bis ins späte Mittelalter hatten. Wissenschaftler folgten dem Beispiel von Künstlern; nur die physiker weigerten sich lange, den status von farbe als schwarz anzuerkennen. Schließlich haben sich die neuen Ansichten in der breiten Öffentlichkeit verbreitet, so dass wir nun keinen Grund mehr haben, die Farbwelt in gesellschaftlichen Codes und im Alltag mit Schwarz und Weiß zu kontrastieren. Nur in bestimmten Bereichen wie Fotografie, Kino, Presse und Buchverlag macht dieser Gegensatz noch Sinn.

Der Titel unseres Buches ist also weder ein Fehler noch eine bewusste Provokation. Und kein Hinweis auf die berühmte Ausstellung, die Ende 1946 in Paris von der Mag Gallery organisiert wurde, eine Ausstellung, die die Kühnheit hatte zu sagen: "Schwarz ist auch eine Farbe." Diese aufsehenerregende Aussage sollte nicht nur die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Presse auf sich ziehen, sondern auch eine Sichtweise zum Ausdruck bringen, die sich nicht mit dem deckte, was damals an Kunstschulen gelehrt oder in Abhandlungen über Malerei niedergeschrieben wurde. Vielleicht wollten die Aussteller mit viereinhalb Jahrhunderten Verspätung in eine Debatte mit Leonardo da Vinci eintreten, dem ersten Künstler, der Ende des 15. Jahrhunderts sagte, dass Schwarz eigentlich keine Farbe sei.

„Schwarz ist eine Farbe“: Eine solche Aussage wird heute als Selbstverständlichkeit, ja sogar als Banalität empfunden; jetzt wäre es eine Provokation, das Gegenteil zu behaupten. Das Ziel unserer Studie liegt jedoch auf einer anderen Ebene. Ihr Titel bezieht sich nicht auf die Ausstellung von 1946, nicht auf den Ausspruch des großen Leonardo, sondern nur auf den Titel unseres vorigen Buches: „Blau. Die Geschichte der Farbe“, erschienen 2000 im selben Verlag. „Blau“ stieß sowohl in der wissenschaftlichen Gemeinschaft als auch in der breiten Öffentlichkeit auf positive Resonanz, und ich hatte die Idee, ein ähnliches Buch über Schwarz zu schreiben. Das bedeutet nicht, dass ich eine ganze Reihe von Büchern konzipiert habe, in denen jeder Band der Geschichte eines der sechs „Großen“ (weiß, rot, schwarz, grün, gelb, blau) und dann eines der fünf gewidmet wäre "kleinere" (graue, braune, lila, rosa, orange) Farben in der westeuropäischen Kultur. Es wäre ein leeres Geschäft, parallele Monographien zu erstellen: Schließlich existiert keine Farbe für sich allein, sie erlangt Bedeutung, "Funktionen" und volle Kraft in allen Aspekten - sozial, künstlerisch, symbolisch - nur in Verbindung mit oder im Gegensatz zu eine oder mehrere andere Farben. Aus dem gleichen Grund kann es nicht isoliert betrachtet werden. Von Schwarz zu sprechen bedeutet, wie auf den folgenden Seiten deutlich wird, zwangsläufig, von Weiß, Rot, Braun, Lila und sogar Blau zu sprechen. Deshalb trifft der Leser hier manchmal auf das, was ihm schon aus dem Buch über diese letzte Farbe bekannt ist. Ich hoffe, sie werden mir das verzeihen, schließlich konnte ich nicht anders. Blau, eine seltene und ungeliebte Farbe, galt in Westeuropa lange Zeit als „Ersatz“ oder eine besondere Art von Schwarz. Die Geschichten dieser beiden Farben sind also praktisch untrennbar miteinander verbunden. Wenn, wie mein Verleger hofft, den ersten beiden Büchern ein drittes folgt (über die Farbe Rot? über Grün?), wird es zweifellos um die gleichen Themen herum aufgebaut sein und auf dem gleichen dokumentarischen Material basieren.

Solche Studien, die nur die äußerlichen (und nur äußerlichen) Zeichen einer Monographie tragen, sollten zu Bausteinen des Gebäudes werden, von dem ich seit vier Jahrzehnten träume: die Geschichte der Farbe in den westeuropäischen Gesellschaften, vom alten Rom bis zum 18. Jahrhundert. Auch wenn ich, wie wir auf den folgenden Seiten sehen werden, zwangsläufig in fernere und nähere Epochen blicken werde, wird sich meine Forschung genau in diesen (ohnehin recht weiten) zeitlichen Rahmen entfalten. Es wird sich auch auf Gesellschaften in Westeuropa beschränken, denn meiner Meinung nach sind die Probleme der Farbe in erster Linie die Probleme der Gesellschaft. Und als Historiker verfüge ich nicht über ausreichende Gelehrsamkeit, um über den gesamten Planeten zu sprechen, und ich habe nicht den Wunsch, die Arbeit von Wissenschaftlern, die sich mit außereuropäischen Kulturen befassen, aus den Worten eines anderen umzuschreiben oder zu paraphrasieren. Um keinen Unsinn zu reden, um meine Kollegen nicht zu bestehlen, beschränke ich mich auf den Stoff, der mir vertraut ist und der ein Vierteljahrhundert lang das Thema meiner Seminarkurse an der Praktischen Hochschule für Höhere Studien und war an der Hochschule für Sozialwissenschaften.

Der Versuch, eine Farbgeschichte zu schreiben, selbst in einem einzigen Europa, ist keine leichte Aufgabe. Oder besser gesagt, eine unglaublich schwierige Aufgabe, an die sich bis vor kurzem weder Historiker noch Archäologen noch Spezialisten für Kunstgeschichte (einschließlich Malerei!) gewagt haben. Sie können verstanden werden: Auf diesem Weg würden sie auf viele Schwierigkeiten stoßen. Diese Schwierigkeiten sind im Vorwort erwähnenswert, weil sie ein wichtiger Teil der Handlung unseres Buches sind und uns helfen werden zu verstehen, wie das Missverhältnis zwischen der Menge unseres Wissens und dem, was wir nicht wissen, entstanden ist. Hier verschwimmen mehr als anderswo die Grenzen zwischen Geschichte und Geschichtsschreibung. Vergessen wir also fürs erste die Geschichte von Schwarz und sprechen kurz über einige dieser Schwierigkeiten. Es gibt drei Arten.

Blauer Strumpf

Dies ist die Farbe des Formulars. Formen eines Schuljungen und eines Grenzwächters, Zugbegleiters, einer Stewardess und vieler anderer. "Wer klopft an meine Tür, mit einer dicken Umhängetasche, mit der Nummer "5" auf einer Kupferplakette, in einer blauen Uniformmütze"? Das ist die Farbe von Business-Anzügen, streng, aber Win-Win – Schwarz ist zu düster, aber Blau ist genau richtig. Dies ist die Verkörperung von Praktikabilität - Blue Jeans und Arbeitsoveralls. Blau, so vertraut, so ruhig, so lässig. Aber...

Welche Farbe hat der Zaubervogel, den die Helden des berühmten Märchens suchen? Welche Farbe haben die Rosen, um die die Heldin in einem von Kiplings Gedichten bittet?

Ich bin scharlachrote, weiße Rosen in einem Strauß
Ich habe es für meine Geliebte gefaltet, aber es gibt keine Freude ...
Liebe, sag mir, wie ich dich erfreuen kann?
"Ich will blaue Rosen."

Der Held ist bereit, die ganze Welt zu durchsuchen, aber...

Rückkehr nach Hause in einem frostigen Winter,
Dumme Liebe fand ich nicht lebendig.
Mit dem letzten Atemzug, in der Hand des Todes
Ich bat um blaue Rosen, mein Freund.*

*Übersetzt von Valery Lukkarev

Sie sind blau, diese Rosen, das Symbol eines unerreichbaren Traums. Und der Glücksvogel ist auch blau. „So wie wir einem angenehmen Gegenstand, der sich uns entzieht, gerne nachjagen, schauen wir ebenso gerne auf Blau, nicht weil es auf uns zustürzt, sondern weil es uns mit sich zieht“, schrieb Goethe. „Blaue Farbe, himmlische Farbe“, die Farbe der Liebe – aber Liebe ist göttlich, ideal. Farben der Kleidung der alten Madonnen. Geheimnisvoll, aber gleichzeitig allen und allen zugehörig. Blaue Farbe ist in der Tat ein heller Blauton, aber es verdient eine separate Diskussion, und heute werden wir über Blau sprechen.

Er hilft immer, in jeder Situation – im verregneten Herbst schützt man sich mit einer dunkelblauen Jacke vor Schmutzspritzern; und im Sommer auf dem Deck eines Linienschiffs als koketter Matrose spielen - was kann so hell und zurückhaltend zugleich sein wie eine "marine" Kombination aus Weiß und Blau? Und die unterschiedlichsten Blautöne sind nicht weniger als die Federn im Schwanz desselben blauen Vogels ...

Aber was ist für ihn Modernität, diese schöne Farbe? Und wenn wir bedenken, dass natürliche blaue Farbstoffe selten sind, dann wurde die blaue Farbe in der Kleidung sehr geschätzt.
Die Heldin des karelisch-finnischen Epos "Kalevala" kleidet sich in Blau:

Und unter der kunterbunten Decke gefunden
Sechs goldene Gürtel
Blaue sieben schöne Kleider.
Reich gekleidet,
Wählen Sie, was am besten ist:
Und goldene Anhänger
Und ein silberner Kokoshnik
Blau wählte eine Stirn,
Rotes Band am Zopf.

Von den Seiten mittelalterlicher Handschriften schauen uns Herren und Damen in Dunkelblau, Hellblau, Hellblau an ...

Mitte des 14. Jahrhunderts gründete der englische König Eduard III. den Ritterorden, den Hosenbandorden (das Strumpfband, das der Legende nach der Grund für die Ordensgründung war, war übrigens blau ), und die Mäntel der Ritter waren blau. Heutzutage sind sie aus dunkelblauem Samt. Erinnern Sie sich an den relativ neuen Film The Queen mit der Schauspielerin Helen Mirren? Gleich in den ersten Aufnahmen posiert die Königin für den Künstler in einem luxuriösen dunkelblauen Gewand – das ist der Mantel eines Mitglieds des Strumpfbandordens. Und das Strumpfband selbst, das älteste Symbol des Ordens, das Männer am linken Bein unter dem Knie und Frauen am linken Arm über dem Ellbogen tragen, ist aus dunkelblauem Samt. Nun, Blau (einschließlich Hellblau) ist eine edle Farbe, die Farbe der Macht ... Hier ist Ihre Majestät, Elizabeth II, in voller Kleidung als Mitglied des berühmten Ordens.

Es gab jedoch eine andere Bedeutung dieser Farbe. Im Mittelalter galt Blau zunächst als Farbe der Treue in der Liebe und wurde dann ... zur Farbe der Untreue.

Blaue Kleidung wird nicht überzeugen
Sowie das Motto, stark in der Liebe;
Aber wer ist der Seele ergeben und hält
Ehre die Dame des Herzens vor bösartiger Blasphemie, ...
Nicht in Blau, obwohl er die Liebe schätzt, -
Der Untreue, der alles sündigt,
Versteckt Sünde absichtlich mit Kleidung,
Kleid in blau...

Den Damen des 16. Jahrhunderts war Blau relativ gleichgültig, Schwarz und Rottöne waren viel beliebter, aber im 17. Jahrhundert kehrte es langsam zurück (obwohl, ehrlich gesagt, Hellblau, dh Blau, viel mehr geliebt wurde). .

Im 18. Jahrhundert wurde Blau nicht zur beliebtesten Farbe, aber es wurde von Herren (blaue Samthemden, Seidenwesten) und Damen sehr geliebt - Kleider, Kleidung für das Haus, Dekoration ...

Aber Blau wird im nächsten Jahrhundert, XIX, wirklich regieren.

Stieglitz in Blau lief durch die Straßen der Stadt und durch Romanseiten - sie überließen alle anderen etwas saftigen Farben den Damen, aber auch diese zu verlieren ... Danke! Habe ein Gewissen! „Ein blaues Taschentuch mit weißen Tupfen lugte aus der Innentasche seines Mantels hervor, und der Mantel selbst war offen, sodass jeder die Gelegenheit hatte, die blau-weiß gestreifte Kaschmirweste und die weiße Musselin-Krawatte mit schwarzen Tupfen zu bewundern“; "Er sah jetzt wirklich wie ein Gentleman aus, und ziemlich elegant noch dazu: ein blauer Frack mit goldenen Knöpfen"; "Er trug einen blauen, einreihigen Gehrock mit langer Taille und eine blaue Weste mit dunklen, 2,5 cm breiten Streifen." "Ein hellblauer Flanellanzug passte ihm von Kopf bis Fuß." „Er war mit rein englischer Exzentrizität gekleidet: er trug einen blauen Frack mit goldenen Knöpfen und hohem Pique-Kragen, die 1811 getragen wurden, eine weiße Casimir-Weste und weiße Nanke-Höschen“ – na, ist er nicht hübsch? "Blaue Samtuniformen", "Blaue Samthosen, verziert mit bunten Streifen und silbernen Knöpfen", "Mütze aus feinem blauem Stoff", "Puffige blaue Hose", "langkrempiger sibirischer Mantel aus feinem blauem Stoff, mit kleinen Raffungen hinten" - Obwohl die hellen Farben der vergangenen Jahrhunderte fehlten, war die Herrenmode immer noch ziemlich spektakulär, und das ist nicht zuletzt das Verdienst der blauen Farbe. "Neben dem Carrick war damals auch ein weiter blauer Umhang in Mode, der mit schwarzem Samt gefüttert und oft purpurrot war, genannt "Almaviva" nach dem Namen einer berühmten Figur in dem Stück von Beaumarchais."

Auch Damen liebten Blau, besonders wenn es um Anzüge ging, die Elemente der Männermode entlehnten – etwa zum Reiten. Oder an das Militär erinnernde („und ich liebe das Militär!“) Uniformen. "In einer Amazone aus dickem blauem Stoff, mit einer langen Schleppe über dem linken Arm, schien sie größer zu sein; ein Mieder in Form einer Weste mit kleinen runden Schößchen, wie Leder, umschlang ihre Schultern, Hüften und Brust. Es gab Leinen Manschetten an den Ärmeln, denn unter dem Leinenkragen ragte die Paspel einer blauen Foulard-Krawatte hervor, der Zylinder des Mannes saß geschickt auf seinem geknoteten Haar, und der darüber geworfene Gasschal, durchbohrt vom goldenen Staub der Sonne, wirkte wie ein bläuliche Wolke.

„Ist es wirklich ein neues Kleid? Sie nahm es von der Kommode, und es stellte sich heraus, dass es ein wunderschöner Reitanzug war, aus feinstem dunkelblauem Stoff, mit silbernen Borten besetzt. Außerdem war ein Hut dabei, ebenfalls dunkelblau, verziert mit einer weißen Straußenfeder." „Der Junge dachte, sie wäre eine Mumie. Sie trug einen schönen Rock aus blauem Fai mit breiten Rüschen und darüber – so etwas wie eine Gardeuniform aus weicher grauer Seide Der Rock war elegant, die breiten Manschetten an den Ärmeln und die Revers des Mieders waren mit demselben Satin besetzt. Die Zeit ist schön.

Aber nicht nur Amazonen waren auf keinen Fall blau – Kleider und Oberbekleidung zum Spazierengehen, Hauskleider … „Eileen in einem Anzug aus blauer Seide mit einem Samtumhang in der gleichen Farbe und aufwändigem Besatz aus Falten und Rüschen war ein großer Erfolg . Blauer Samtstrom mit hoher Krone, verziert mit einer dunkelroten künstlichen Orchidee, gab ihm ein etwas ungewöhnliches und keckes Aussehen.“

Und welche Namen gab es nicht für verschiedene Farbtöne! "Nur blau" ist so langweilig... Aber "Bleuraimonde" oder "Lavalier", zu Ehren der Geliebten von Ludwig XVI., ist eine andere Sache.

Eine Modezeitschrift von 1834 beschrieb „ein schönes Outfit für einen Spaziergang, einfach und edel – eine warme Haube auf Watte, aus blauem Damaststoff, seitlich geschnitten und mit Satinbändern gebunden; ein dunkelgelber Samthut; Stiefel mit Knöpfen und ein Zobelmuff."

Gleichzeitig wird Blau immer mehr zu einer „geformten“ Farbe. Blaue Stofftuniken und hellblaue Mützen von Gymnasiasten, verschiedene Uniformen; am kaiserlichen hof waren die farben streng geregelt, so mussten beispielsweise die zeremoniellen kleider der erzieher der großherzoginnen aus blauem samt und die ihrer hofdamen aus hellblauem samt sein.

Aber Blau gibt nicht so schnell auf und widersteht hartnäckig - es eignet sich nicht nur für Uniformen! Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts entstand in England der Begriff „Blue Stocking“ und bezeichnete eine Frau, die ihren Verstand und ihre Kreativität viel mehr schätzte als ihre Familie oder ihr eigenes Aussehen (beachten Sie, dass der Mann der erste war, der diesen Spitznamen erhielt! ). Na und? Das ist kein Grund, Blau für langweilig zu halten.

Der Couturier des frühen 20. Jahrhunderts, Mariano Fortuny, der Sohn eines berühmten Künstlers, kreierte nicht nur Kleider, sondern auch Stoffe – seine Werke waren so schön, dass sie den Schriftsteller Marcel Proust inspirierten, der sie mehr als einmal in seinen Romanen beschrieb: „An diesem Abend zog Albertina ein Kleid von Fortuny an, und es schien mir ein verführerischer Schatten eines unsichtbaren Venedigs, voller arabischer Ornamente, wie Venedig, wie venezianische Paläste, die sich wie Sultaninen hinter Steinmetzarbeiten verstecken, wie Büchereinbände aus dem Ambrosianischen Bibliothek, wie Säulen, an denen sich Vögel, die entweder Tod oder Tod, Leben symbolisieren, im Glanz eines tiefblauen Stoffes widerspiegelten, der sich, je tiefer mein Blick hineinging, um so deutlicher ebenso von tiefblau in geschmolzenes Gold verwandelte Wenn sich eine Gondel nähert, verwandelt sich das Azurblau des Canale Grande in flammendes Metall.

Kurz vor dem Ersten Weltkrieg kehrte Europa zu den leuchtenden Farben zurück, die die Mode der Jahrhundertwende verdrängte, und leuchtendes Blau, so unbescheiden im Gegensatz zu seinen dunkelblauen Pendants, betrat feierlich die Bühne - sowohl im übertragenen als auch im wörtlichen Sinne - Bühnenkostüme berühmte "Russische Jahreszeiten", Kostümbälle... Der berühmte Künstler Lev Bakst, der prächtige Kostüme nicht nur für Ballerinas, sondern auch für "normale" (aber immer noch "ungewöhnliche" - in seinen extravaganten Outfits!) Frauen schuf, liebte die blau.

"Außergewöhnlich in seiner Pracht und Originalität, das Kostüm aus Samt und Seide pur Bakst von Frau El. Pavel. Olive aus Kombinationen von schwarzem und blauem Samt, besetzt mit den größten Saphiren und außergewöhnlichen Smaragden, grüne Seide, bemalt mit silbernen Ornamenten. Alle kobaltblaues Haar, geschmückt mit üppigen Straußenfedern in Grün, Lila und Blau." Beeindruckend, oder? Dies ist ein Maskenballkostüm im orientalischen Stil.

Nun, bald wird die Maskerade enden und das "echte, nicht kalendarische 20. Jahrhundert" wird zu seinem Recht kommen. Blau wird es schwer haben. Nein, nein, es wird viel davon geben, aber es wird endlich als die Farbe des Geschäfts festgelegt, praktisch, nicht färbend, seriös, konservativ. Fest. Und auch wenn es festlich ist, geht es noch zurückhaltend zu. Es wird mit verschiedenen Farben kombiniert, wobei versucht wird, Helligkeit mit Rot, Fröhlichkeit mit Gelb, Eleganz mit Beige zu erreichen ...

Und nur manchmal werden wir uns an den blauen Vogel und die blauen Rosen erinnern.

Einmal ging das fabelhafte Ideal-Kindermädchen Mary Poppins spazieren: "Heute trug sie einen blauen Mantel mit silbernen Knöpfen und einen passenden blauen Hut, und damals, als sie so gekleidet war, war sie sehr leicht beleidigt." Gehen Sie in Blau und seien Sie nicht beleidigt! Sei einfach wie Mary, "Lady Perfect".

O.BULANOVA

Unser ganzes Leben ist eine große Vielfalt an Farben und Schattierungen. Farbe hat in unserer Kultur einen wichtigen Platz eingenommen, ihr wurden mystische und göttliche Eigenschaften zugeschrieben. Farbe hat in der Symbolik eine große Bedeutung erlangt: heraldisch, religiös usw.

Es war jedoch falsch zu glauben, dass alle Farben immer an der gleichen Position waren. Michel Pasturo in seinem Buch „Blau. Die Geschichte der Farbe“ machte darauf aufmerksam, dass die blaue Farbe keineswegs von Anfang an im menschlichen Leben präsent war und sich die Tradition ihrer Verwendung im öffentlichen, künstlerischen und religiösen Leben erst seit relativ kurzer Zeit entwickelt hat.

Auf den ersten Wandbildern des Spätpaläolithikums fehlt diese Farbe. Wir sehen alle möglichen Schattierungen von Rot und Gelb, Schwarz – mehr oder weniger hell und gesättigt, aber überhaupt kein Blau, Grün – auch und sehr wenig Weiß.

Einige Jahrtausende später, in der Jungsteinzeit, als die Menschen begannen, ein sesshaftes Leben zu führen und die Technik des Färbens von Gegenständen beherrschten, begannen sie, rote und gelbe Farbe zu verwenden, aber es gab immer noch kein Blau.

Obwohl diese Farbe in der Natur vorkommt, hat der Mensch viel Zeit und Arbeit investiert, um zu lernen, wie man sie reproduziert, für seine Bedürfnisse herstellt und frei verwendet.

Vielleicht aus diesem Grund blieb Blau in der westlichen Kulturtradition so lange im Hintergrund, spielte praktisch keine Rolle, weder im öffentlichen Leben noch in religiösen Riten oder in der künstlerischen Kreativität.

Im Vergleich zu Rot, Weiß und Schwarz, den drei „Grundfarben“ aller antiken Gesellschaften, war die Symbolik von Blau zu dürftig, um eine wichtige Bedeutung zu enthalten oder wichtige Konzepte zu vermitteln, tiefe Gefühle hervorzurufen oder einen starken Eindruck zu hinterlassen.

Die untergeordnete Rolle von Blau im Leben der Alten und die Tatsache, dass es in vielen Sprachen dieser Zeit schwierig ist, ein Wort zu finden, das dieser Farbe entspricht, zwang viele Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts. bezweifle, dass die Menschen des Altertums blau sahen oder es zumindest so sahen, wie wir es sehen.

Nun sind solche Zweifel zu einem Anachronismus geworden. Die überraschend geringe soziale und symbolische Bedeutung, die Blau in den europäischen Gesellschaften über die langen Jahrtausende von der Jungsteinzeit bis ins mittlere Mittelalter beigemessen wurde, ist jedoch eine unwiderlegbare historische Tatsache, die erklärt werden muss.

Basierend auf der Tatsache, dass Blautöne in der bildenden Kunst der Antike relativ selten sind, und vor allem auf dem Wortschatz der altgriechischen und lateinischen Sprache, haben Philologen des 19. schlug vor, dass die Griechen und nach ihnen die Römer Blau überhaupt nicht unterschieden.

Tatsächlich ist es sowohl im Griechischen als auch im Lateinischen schwierig, einen genauen und weit verbreiteten Namen für Blau zu finden, während es für Weiß, Rot und Schwarz nicht nur ein, sondern mehrere Wörter gibt.

Im Griechischen, dessen Farblexikon sich über mehrere Jahrhunderte hinweg gebildet hat, werden am häufigsten zwei Wörter verwendet, um Blau zu definieren: „glaukos“ und „kyaneos“. Letzteres scheint vom Namen eines Minerals oder Metalls zu stammen; Dieses Wort hat keine griechische Wurzel, und Wissenschaftler haben lange Zeit versäumt, seine Bedeutung zu klären.

In der homerischen Zeit bezeichnete das Wort „Kyaneos“ sowohl die blaue Farbe der Augen als auch die schwarze Farbe der Trauerkleidung, aber niemals das Blau des Himmels oder des Meeres. Von den 60 Adjektiven, die zur Beschreibung der natürlichen Elemente und der Landschaft in der Ilias und der Odyssee verwendet werden, sind jedoch nur drei Definitionen von Farbe; aber es gibt viele Beinamen, die sich auf Licht beziehen, im Gegenteil. In der klassischen Ära bezeichnete das Wort „Kyaneos“ eine dunkle Farbe und nicht nur dunkelblau, sondern auch lila, schwarz, braun. Tatsächlich vermittelt dieses Wort weniger einen Farbton als den Eindruck, den es hinterlässt.

Aber das Wort „Glaukos“, das bereits in der archaischen Ära existierte, wird von Homer ziemlich oft verwendet und bedeutet entweder grün oder grau oder blau und manchmal sogar gelb oder braun. Sie vermittelt keine streng definierte Farbe, sondern deren Verblassen oder schwache Sättigung: So wurden die Farbe des Wassers, die Farbe der Augen, aber auch Blätter oder Honig so charakterisiert.

Und umgekehrt, um die Farbe von Gegenständen, Pflanzen und Mineralien anzugeben, die anscheinend nur blau sein können, verwenden griechische Autoren die Namen ganz anderer Farben. Zum Beispiel können Iris, Immergrün und Kornblume rot (Erytros), grün (Prasos) oder schwarz (Melas) genannt werden.

Bei der Beschreibung des Meeres und des Himmels werden verschiedene Farben erwähnt, aber nicht blau. Deshalb im späten XIX - frühen XX Jahrhundert. Wissenschaftler fragten sich, ob die alten Griechen Blau sahen oder es zumindest so sahen, wie wir es tun?

Einige verneinten diese Frage und stellten Theorien über die Evolution der Farbwahrnehmung auf: Ihrer Meinung nach sind Menschen, die technisch und intellektuell entwickelten Gesellschaften angehören, viel besser in der Lage, Farben zu unterscheiden und ihnen genaue Namen zu geben, als diejenigen, die zu „ primitive“ oder alte Gesellschaften. .

Diese Theorien, die unmittelbar nach ihrem Erscheinen für heftige Kontroversen sorgten, scheinen vielen falsch zu sein. Ihre Autoren stützen sich nicht nur auf das sehr vage und gefährliche Prinzip der Ethnozentrik (nach welchen Kriterien kann diese oder jene Gesellschaft als „entwickelt“ bezeichnet werden und wer hat das Recht, solche Definitionen zu geben?), sie verwirren auch das Sehen (a biologisches Phänomen) mit Wahrnehmung (ein kulturelles Phänomen). ).

Darüber hinaus berücksichtigen sie nicht, dass es in jeder Epoche, in jeder Gesellschaft in der Vorstellung einer Person eine und manchmal beträchtliche Lücke zwischen der tatsächlichen Farbe, der wahrgenommenen Farbe und der Bezeichnung dieser Farbe gibt.

Wenn es im Farbvokabular der alten Griechen keine Definition von Blau gibt oder es sehr ungefähr ist, muss dieses Phänomen zunächst im Rahmen der Bildung und Funktionsweise des Vokabulars untersucht werden, dann - im ideologischen Rahmen von die Gesellschaften, die dieses Vokabular verwenden, und suchen hier keinen Zusammenhang mit den Besonderheiten der Neurobiologie der Mitglieder dieser Gesellschaften: Der Sehapparat der alten Griechen ist absolut identisch mit dem Sehapparat der modernen Europäer.

Die Schwierigkeit, die Farbe Blau zu bestimmen, findet sich im klassischen und dann im mittelalterlichen Latein. Nehmen Sie zumindest das gebräuchlichste - "caeruleus": Basierend auf der Etymologie des Wortes (cera - Wachs) bezeichnet es die Farbe von Wachs, d.h. etwas zwischen Weiß, Braun und Gelb, dann wird es auf einige Grün- oder Schwarztöne und erst viel später auf das blaue Farbschema angewendet.

Eine solche Ungenauigkeit und Widersprüchlichkeit des Vokabulars in Bezug auf Blau spiegelt das schwache Interesse römischer Autoren an dieser Farbe und dann der Autoren des frühen Mittelalters wider.

Deshalb haben sich zwei neue Wörter für die Farbe Blau leicht im mittelalterlichen Latein verwurzelt: Das eine stammt aus germanischen Sprachen (blavus), das andere aus dem Arabischen (azureus). Diese Wörter werden später alle anderen verdrängen und in den romanischen Sprachen endgültig fixiert werden.

Wenn die Römer entgegen der Meinung einiger Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts Blau noch zu unterscheiden wussten, dann behandelten sie es bestenfalls gleichgültig, schlimmstenfalls feindselig. Verständlich: Blau ist für sie vor allem die Farbe von Barbaren, Kelten und Germanen, die ihre Körper mit blauer Farbe bemalten, um Feinde einzuschüchtern.

Ovid sagt, dass die alternden Deutschen, die ihre grauen Haare verstecken, ihre Haare mit Waidsaft färben. Und Plinius behauptet, dass die Ehefrauen der Briten ihre Körper vor rituellen Orgien mit demselben Färberwaid dunkelblau anmalen; woraus er schließt, dass Blau eine zu fürchtende oder zu vermeidende Farbe ist.

In Rom waren blaue Kleider nicht beliebt, sie zeugten von Exzentrizität oder symbolisierten Trauer. Darüber hinaus wurde diese Farbe, deren heller Farbton scharf und unangenehm und der dunkle - beängstigend wirkte, oft mit dem Tod und dem Leben nach dem Tod in Verbindung gebracht.

Blaue Augen galten fast als körperliches Handicap. Bei einer Frau zeugten sie von einer Neigung zum Laster; Der blauäugige Mann galt als verweichlicht, barbarisch und einfach lächerlich. Und natürlich wurde dieses Erscheinungsmerkmal im Theater oft verwendet, um Comicfiguren zu schaffen.

Terentius zum Beispiel belohnt mehrere seiner Helden mit blauen Augen und gleichzeitig - entweder mit lockigem rotem Haar oder mit enormem Wachstum oder mit Fettleibigkeit - beides galt im republikanischen Rom als Makel. So beschreibt Terentius eine lustige Figur in seiner Komödie Schwiegermutter: „Ein dicker großer Mann mit lockigen roten Haaren, blauen Augen und einem Gesicht so blass wie das eines Toten.“

Ab der karolingischen Zeit und vielleicht sogar etwas früher (seit dem 7. Jahrhundert, als die Kirche eine Art Luxus in ihren Alltag einführte), wurden Gold und leuchtende Farben in Stoffen für Kirchendekorationen und Gewänder von Priestern verwendet. Weiß wird zur Farbe der Reinheit. Von Blau ist noch keine Rede.

Zu Beginn des 2. Jahrtausends erschienen Abhandlungen über die religiöse Symbolik der Farbe. Keiner von ihnen berücksichtigt die Farbe Blau nicht nur nicht, sondern erwähnt sie nicht einmal. Es war, als ob er überhaupt nicht existierte. Und erst in den letzten Jahren des 12. Jahrhunderts. die Farbe Blau begann erwähnt zu werden.

Eine eingehendere Untersuchung des Problems führte zur Identifizierung eines anderen Musters. Am Anfang enthielt jede der Sprachen Wörter, die die Töne von Dunkel und Weiß definierten. Dann kam Rot, verbunden mit Blut und Wein, dann Gelb und Grün. Nach langer Zeit endete die Bildung des Hauptfarbschemas mit dem Erscheinen von Blau.

Die einzige alte Kultur, die Blau auszeichnete, ist die ägyptische. Die Ägypter hatten sogar blaue Farbe.

Tatsächlich ist Blau in der Natur eine Seltenheit. Der moderne Mensch ist sich sicher, dass der Himmel blau ist. Aber ist es? Nach den Werken des deutschen Philologen Lazarus Geiger und Schriften kann der Himmel anders gesehen werden.

Guy Deutscher, Autor von Through the Mirror of Language, führte mit seiner Tochter ein Experiment durch. Einmal fragte er sie, welche Farbe der Himmel habe. Zuerst war der Himmel in der Vorstellung des Mädchens farblos. Dann - weiß. Und erst als sie älter wurde, merkte sie, dass der Himmel blau war. Das Verständnis von Blau vervollständigte die Farbwahrnehmungskette des Mädchens.

In diesem Zusammenhang stellt sich eine weitere Frage: Kann eine Person Farben unterscheiden, die noch nicht durch bestimmte Konzepte definiert sind? Um diese Frage zu klären, unternahm die Wissenschaftlerin Julie Davidoff eine Reise nach Namibia. Er arbeitete mit dem lokalen Himba-Stamm zusammen, der kein Verständnis für die Farbe Blau hat. Auch seine Vertreter unterscheiden Blau nicht von Grün.

Für das Experiment wurden die Mitglieder des Stammes gebeten, einen Kreis mit 11 grünen Quadraten und einem blauen zu betrachten. Das Ergebnis - niemand konnte blau finden.

Aber in der Himba-Sprache gibt es viele Wörter zur Beschreibung von Grüntönen, was man von europäischen Sprachen nicht sagen kann. Bei der Untersuchung eines Kreises mit grünen Quadraten mit einem etwas anderen Farbton fanden die Probanden ihn sofort.

Also, was kann die Schlussfolgerung sein? Die Definition von Farben erfordert Worte und eine Möglichkeit, sie zu identifizieren, da es sonst schwierig wird, die Unterschiede trotz ihrer physischen Wahrnehmung mit unseren Augen zu erkennen. Bis zu dem Moment, als die blaue Farbe von allen als Norm wahrgenommen wurde, sah die Menschheit sie, verstand aber nicht, was sie sah.

Die Welt um uns herum ist mit einer Vielzahl von Farben gefüllt, von denen einige für uns noch unsichtbar sind. Und nur die ständige Weiterentwicklung unserer Fähigkeiten lässt den Menschen mit der Zeit immer neue Farbnuancen entdecken.

Jedes Wort hat seine eigene Geschichte, die als Etymologie bezeichnet wird. Die etymologische Analyse klärt, aus welcher Sprache dieser oder jener Name stammt, was seine Bedeutung ist, welche Schreibweise er hatte, wie er sich im Laufe der Jahrhunderte verändert hat. Wörter mit Geschichte können jeden Bereich widerspiegeln: Wissenschaft, sozialer Bereich, Leben. Heute werden wir über das Erscheinen von Farbnamen sprechen.

Farben umgeben uns überall: sei es das Blau eines klaren Himmels oder die schwarze Farbe eines Autos. Wörter, die einen bestimmten Farbton definieren, sind seit langem in Gebrauch. Rot, weiß, blau, grün, orange, lila – Worte, die gehört werden. Jeder weiß, was diese Wörter bedeuten, aber nur wenige können sagen, dass sie mit ihrer Herkunft vertraut sind.

Weiße Farbe.

Weiße Farbe wird als die älteste anerkannt. Das Wort dafür hat die indogermanische Wurzel „bra“ oder „bre“, was „glänzen, glänzen, glänzen“ bedeutet. Und tatsächlich wird Weiß oft mit dem Begriff „Licht“ in Verbindung gebracht. Für viele Völker symbolisieren schneeweiße Farbtöne Licht, Reinheit, Unschuld.

Schwarze Farbe.

Die schwarze Farbe wird seltsamerweise mit dem Meer in Verbindung gebracht. Dieses Wort kommt vom altrussischen Pont, dem Pontischen Meer. Das Pontische Meer ist der alte Name des Schwarzen Meeres. So bestimmten unsere Vorfahren die Farbe durch das Aussehen des Gewässers, das oft dunkel und düster wirkte. Das Wort „schwarz“ wird übrigens auch mit dem altiranischen „dunkel“ in Verbindung gebracht.

Rote Farbe.

Das Wort "rot" ist gemeinsamen slawischen Ursprungs. Es ist aus dem Wort „Schönheit“ gebildet und wurde zunächst als „gut, schön“ verwendet. Erst nach dem 16. Jahrhundert begann „Rot“ die hellste Farbe im Farbspektrum zu symbolisieren. Rot hat viele Schattierungen.

Purpurrote Farbe.

Karminrote Farbe oder Karminrot wird mit dem altrussischen "bagar" in Verbindung gebracht, was "rote Farbe, rote Farbe" bedeutet. Es gibt 3 Versionen zur Geschichte des Wortes "Crimson". Eine Version schlägt vor, dass dieses Wort das Präfix "ba" und die Wurzel von "burn" hat, dh die rote Farbe wird mit der Flamme assoziiert. Die zweite Hypothese verbindet das Wort „Bugar“ mit dem antiken Wort „bagno“, was „Schlamm, Sumpf“ bedeutet. Wundere dich nicht. Das Wasser im sumpfigen Gebiet ist schmutzig rot, rostig, daher verbanden die alten Menschen die rote Farbe mit dem Sumpf. Die dritte Annahme basiert auf der Entlehnung des Wortes „Bugar“ aus dem östlichen Teil des Mittelmeers. Von dort brachten sie einen roten Farbstoff mit, der der Purpurfarbe den Namen gab.

Rote Farbe.

So nannten unsere Vorfahren die Farbe Rot. „Rot“ und „scharlachrot“ haben eine gemeinsame Wurzel mit dem Verb „Würmer“, was „rot malen“ bedeutet. „Wurmig“ wiederum basiert auf dem Wort „Wurm“. Tatsache ist, dass früher rote Farbe aus einer speziellen Art von Würmern gewonnen wurde.

Scharlachrote Farbe.

Das Wort "scharlachrot" ist türkischen Ursprungs. Es bedeutete leuchtend rote, hellrosa Farbe. Einige Linguisten assoziieren „scharlachrot“ mit dem arabischen Wort „alaw“ – „Flamme“ sowie mit dem georgischen „ali“.

Pinke Farbe.

Das Wort „rosa“ hat polnisch-ukrainische Wurzeln („rozhevy“, „roz†owy“). Es kam vom Namen der entsprechenden Blume "Rose".

Grüne Farbe.

„Grün“ wird mit dem alten „zel“ („grün“) in Verbindung gebracht. In der altrussischen Sprache hatte das Substantiv „Zel“ die Bedeutung „Grün, Gras, junger Winter“. Die gleiche Wurzel steckt in den bekannten Wörtern „Müsli, Trank, Asche, Gold, Gelb“.

Gelb.

Wie bereits erwähnt, hat das Wort „Gelb“ eine gemeinsame Wurzel mit den Wörtern „Grün“, „Gold“, „Asche“. Niemand hätte gedacht, dass Gold, Grün und Gelb „Verwandte“ sind.

Orange Farbe.

Das Wort "Orange" kam aus der französischen Sprache zu uns. Das Suffix -ev- wurde auf der russischen Plattform an das geliehene "Orange" angehängt. "Orange" in der Übersetzung - Orange, das heißt orange Farbe - "Farbe von Orange".

Blau.

Der Ursprung des Wortes "blau" ist eher vage. Es wird angenommen, dass die blaue Farbe vom Wort "Taube" abgeleitet ist. Die Farbe dieser Vögel nahm den genauen Namen auf - "blau". Es stellt sich heraus, dass zuvor die blaue Farbe als Grau und nicht als Hellblau positioniert war. Sie haben den Blauton erst im 18. Jahrhundert geklärt, davor konnte niemand mit Sicherheit sagen, was es war.

Blaue Farbe.

„Blau“ ist verwandt mit dem Wort „glänzen“, also ist die ursprüngliche Bedeutung „funkelnd, glänzend“. Forscher begegneten dem Wort "blau" in der Bedeutung von "schwarz", "dunkel". Erinnern Sie sich an den Ausdruck "blau-schwarz"? Die blaue Farbe erhielt ihre moderne Bedeutung unter dem Einfluss des Meeres, das unter den Sonnenstrahlen funkelt, und der Farbe des Himmels, auf den die Sonne scheint.

Violett.

Die Geschichte des Wortes "Purpur" hat eine lange Geschichte. Es kam im 18. Jahrhundert aus der polnischen Sprache (fioletowy) zu uns. Das Wort "lila" kam aus dem Deutschen (violett) nach Polen. Die deutsche Version ist aus der französischen Sprache migriert, und das französische „violett“ geht auf das lateinische Wort „viola“ zurück, was „violett, violett“ bedeutet.

So erschienen die Namen der Farben. Sie alle sind auf der Grundlage von Objekten und Phänomenen entstanden, die von diesen Farben angezogen werden. Weiße Farbe ist also mit Brillanz und Licht verbunden, "schwarz" - mit dem dunklen Meer, "rot" - mit Schönheit, grünen und gelben Farben - mit Gras, Grün, "Orange" - mit der Farbe Orange, Blautönen - Mit der Farbe der Tauben ist "Blau" mit Ausstrahlung verbunden, Lila - mit der Farbe Violett.

Tolle Geschichte in Blau

2017-12-09 16:01:06

„Je tiefer die blaue Farbe, desto stärker ruft sie einen Menschen in die Unendlichkeit, weckt in ihm ein Verlangen nach dem Reinen und schließlich nach dem Übernatürlichen. Blau ist eine typisch himmlische Farbe." Zeit, über die Lieblingsfarbe von Wassily Kandinsky zu sprechen, die in der Kunstwelt eine ganz eigene Geschichte hat.

unsichtbar blau.

Letztes Mal haben wir die Tatsache angesprochen, dass die blaue Farbe in der Kunst der Vergangenheit auf sehr mysteriöse Weise existierte. Es wurde entweder ignoriert oder an der falschen Stelle verwendet. Blau war gleichbedeutend mit Schwarz, genauso wie Gelb gleichbedeutend mit Weiß war. Im Griechischen und Lateinischen ist es fast unmöglich, einen Namen für diese Farbe zu finden. während es für den Dreiklang Weiß-Rot-Schwarz mehrere Bezeichnungen gibt. Um scheinbar blaue Dinge (Pflanzen, Mineralien) zu beschreiben, verwenden griechische Autoren die Namen anderer Farben. Es scheint, dass sie entweder andere Farben als Blau gesehen oder es absichtlich ignoriert haben. Beides stimmt natürlich nicht. Die alten Griechen sahen die Welt um sich herum genauso wie die Europäer des 20. Jahrhunderts, keine ethnischen Unterschiede veränderten ihre visuellen Qualitäten so sehr, und das Problem mit Blau war nicht persönlich. Hier sprechen wir über kulturelle, soziale und ideologische Unterschiede, die die Menschen der Antike daran hindern, die blaue Farbe selbst wahrzunehmen.

Erster Eindruck.

Ägyptisches Blau wurde bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. erfunden, es wurde aus Sand und Kupfer hergestellt und zu Pulver gemahlen. Im alten Rom wurde die blaue Farbe offen nicht gemocht, sie wurde mit Schwarz assoziiert, das heißt mit Trauer, Tod und manchmal Hässlichkeit. Aus diesem Grund war das Tragen von Blau etwas Ungeheuerliches. Blaue Augen waren respektlos, ein körperliches Handicap. Beweise für Verderbtheit bei Frauen und Verweichlichung bei Männern. Im Theater wurden blaue Augen oft verwendet, um Comicfiguren zu erschaffen. In der Zeit des frühen Mittelalters konnte die blaue Farbe grundsätzlich nicht in das System der liturgischen Farben aufgenommen werden. Das System entwickelte sich viel früher als die Wahrnehmung von Blau als separate Farbe, und die Stereotypen, die sich zu diesem Zeitpunkt etabliert hatten, machten die Rehabilitierung von Blau unmöglich. Die Kirche gab dieser Farbe nicht den geringsten, nicht einmal den kleinsten Platz. Die katholische Liturgie baute schon immer auf den berüchtigten drei Farben auf (raten Sie mal, welche), an Wochentagen durften sie jedoch mit Grün verdünnt werden. Es stellte sich heraus, dass sogar die grüne Farbe mehr Rechte hatte. Trotz der Tatsache, dass in der Natur beide Farben vorherrschen und oft miteinander kombiniert werden.

"Goldenes Zeitalter" von Blau.

Zu Beginn des zweiten Jahrtausends und insbesondere seit dem 12. Jahrhundert ist Blau in der westeuropäischen Kultur keine sekundäre und selten verwendete Farbe mehr, wie es im alten Rom und im frühen Mittelalter der Fall war. Die Einstellung dazu ändert sich ins genaue Gegenteil: Blau wird zur modischen, aristokratischen Farbe und laut einigen Autoren sogar zur schönsten aller Farben. Über mehrere Jahrzehnte hat sich sein wirtschaftlicher Wert vervielfacht, es findet zunehmend Verwendung in der Bekleidung und nimmt einen immer größeren Platz im künstlerischen Schaffen ein. Solch eine unerwartete und auffällige Änderung zeigt, dass die Hierarchie der Farben, die so viele Jahre lang einen Platz in den menschlichen Wahrnehmungssystemen eingenommen hat, vollständig neu organisiert wurde.

Unter einer Welle der Inspiration wurden unzählige Interpretationen von Blau erfunden. Blau symbolisiert Wahrheit, göttliche Kraft, reine Vernunft, Heiligkeit. Die Ikonographie verteilt die Blautöne hinter den einzelnen neutestamentlichen Schriftzeichen. In den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts beginnen inspirierte Machthaber, sich in azurblaue Farben zu kleiden. Denken Sie an die jüngste Misshandlung von Blau vor zwei oder drei Generationen zurück. Und jetzt wird der große König von Frankreich, Saint Louis, der erste König, der blaue Roben trägt. Ausgehend von der jenseitigen, schädlichen und verdrängten Farbe hat sich Blau zum Hauptsymbol der Göttlichkeit entwickelt.

finanzielles Wachstum.

In der Renaissance tauchte ein Name für das damals wertvollste Pigment auf - Lapislazuli. Ultramarinfarbe wurde aus dem damals teuersten Mineral Lapislazuli hergestellt, das für das Fünffache seines Gewichts verkauft wurde. Seit dem 6. Jahrhundert wurde es nur aus Afghanistan nach Europa geliefert, wo es abgebaut und verarbeitet wurde. Auf der Großen Seidenstraße und auf dem europäischen Markt wurde Ultramarinfarbe zu einem Produkt des Luxussegments. Lapislazuli wurde wegen seiner außergewöhnlichen Seltenheit sparsam verwendet und war oft wohlhabenden Gönnern vorbehalten, und die wohlhabendsten Künstler konnten es kaufen.

Blau im Zeitalter der Moderne und unserer Tage.

Für Romantiker, insbesondere für deutsche, hat Blau wie Lila eine äußerst starke positive Symbolik. Dies ist die Farbe von Prosaschreibern und Dichtern, die in das Unbekannte verliebt sind. „Die Farbe der geheimnisvollen Seele der Welt“ – so besingen Romantiker das Blau und bewundern die Vielfalt seiner Schattierungen. Bereits Ende des 19. - Anfang des 20. Jahrhunderts kommen alle Vorzüge von Blau voll zur Geltung. Blau gilt als der schönste Blauton. Die Romantik verleiht Blau eine Art religiöse Bedeutung. Zur Zeit der Entstehung des „Jungen Werthers“, wo Goethe seinem Helden einen blauen Frack anzieht, war Blau in den 1770er-Jahren in Deutschland angesagt. Der durchschlagende Erfolg des Buches verstärkt diese Mode zusätzlich. So verbreitete sich Blau in ganz Europa.

Pablo Picasso wandte sich dem Blau zu und schuf die „blaue Periode“, in der Melancholie, Depression und Trauer die treibende Kraft hinter seiner Arbeit waren. Blau kann sowohl Apathie als auch Ruhe, ein Gefühl von Tiefe und gleichzeitig ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit vermitteln.

Trotz der melancholischen Farbe Blau, wie sie in die moderne Kultur eingeprägt ist, behält sie auch Assoziationen mit Wahrheitsnähe, Kosmogonie, Mystik, schafft einen Eindruck von Spiritualität und bleibt eine Lieblingsfarbe für eine Vielzahl von Autoren.