Er hat scharfe Gesichtszüge und einen hartnäckigen, durchdringenden Blick. Auf einem großen geschnitzten Stuhl mit hoher Rückenlehne auf der Bühne des Central House of Architects sieht er aus wie Bulgakovs Woland. Nur statt einer Zaubersitzung mit anschließender Enthüllung führt er eine detaillierte Analyse von Fällen aus seiner eigenen Praxis und der Praxis der bei dem Treffen anwesenden Psychotherapeuten durch.
Aber die Leichtigkeit, mit der Otto Kernberg in die Tiefen einer so geheimnisvollen Materie wie der Sexualität vordringt, hat durchaus etwas Magisches. Er schuf eine moderne psychoanalytische Theorie der Persönlichkeit und seine eigene psychoanalytische Methode, schlug einen neuen Ansatz für die Behandlung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen und einen neuen Blick auf den Narzissmus vor. Und dann änderte er plötzlich die Forschungsrichtung und verblüffte alle mit einem Buch über Liebe und Sexualität. Das Verständnis der subtilen Nuancen dieser heiklen Beziehungen kann nicht nur von seinen Psychologenkollegen, sondern vielleicht auch von Dichtern beneidet werden.
Psychologie:
Inwieweit ist die menschliche Sexualität einer wissenschaftlichen Untersuchung zugänglich?
Schwierigkeiten treten bei der Untersuchung physiologischer Prozesse auf: Es ist notwendig, nach Freiwilligen zu suchen, die bereit sind, mit Sensoren, mit spezieller Ausrüstung und unter der Aufsicht von Wissenschaftlern Liebe zu machen. Aber aus psychologischer Sicht sehe ich keine Probleme, bis auf eines: Psychologen und Therapeuten ist es oft peinlich, die richtigen Fragen zum Sexualleben zu stellen.
Psychologen? Nicht ihre Kunden?
OK.:
In der Tat! Es sind nicht so sehr die Klienten, die schüchtern sind, sondern die Psychotherapeuten selbst. Und das völlig vergebens: Wenn Sie die richtigen Fragen stellen, die sich aus der Gesprächslogik ergeben, dann erhalten Sie auf jeden Fall die Informationen, die Sie brauchen. Offenbar fehlt vielen Therapeuten die Erfahrung und das Wissen, um genau zu verstehen, welche Fragen zum Sexualleben des Klienten gestellt werden sollten – und an welcher Stelle.
Es kommt vor, dass sich zwei gesunde Menschen verbinden, und es ist eine echte Hölle. Und manchmal haben Partner schwere Persönlichkeitsstörungen, aber großartige Beziehungen
Wichtig ist, dass der Therapeut intelligent und emotional offen ist und über eine ausreichende persönliche Reife verfügt. Aber gleichzeitig braucht er die Fähigkeit, primitive Erfahrungen wahrzunehmen, nicht zu eng und begrenzt zu sein.
Gibt es Lebensbereiche, die der Forschung verschlossen sind?
OK.:
Mir scheint, dass wir alles studieren können und sollten. Und das Haupthindernis ist die Einstellung der Gesellschaft zu bestimmten Manifestationen der Sexualität. Nicht Wissenschaftler, Psychoanalytiker oder Klienten behindern diese Art der Forschung, sondern die Gesellschaft. Ich weiß nicht, wie es in Russland ist, aber in den USA ist es heute zum Beispiel undenkbar schwierig, alles zu studieren, was mit Sexualität bei Kindern zu tun hat.
Ironischerweise waren es amerikanische Wissenschaftler, die einst die Pioniere auf diesem Wissensgebiet waren! Aber versuchen Sie jetzt, um Fördergelder für die Forschung im Zusammenhang mit der Sexualität von Kindern zu bitten. Im besten Fall geben sie Ihnen kein Geld, und im schlimmsten Fall können sie Sie bei der Polizei anzeigen. Daher ist diese Art von Forschung fast nicht existent. Aber sie sind wichtig, um zu verstehen, wie sich die Sexualität in verschiedenen Altersstufen entwickelt, insbesondere wie sich die sexuelle Orientierung herausbildet.
Wenn wir nicht über Kinder sprechen, sondern über Erwachsene: Wie sehr hängt das Konzept der reifen sexuellen Liebe, über das Sie viel schreiben, mit dem biologischen Alter zusammen?
OK.:
Im physiologischen Sinne reift der Mensch in der Adoleszenz bzw. in früher Jugend zur sexuellen Liebe heran. Leidet er aber zum Beispiel an einer schweren Persönlichkeitsstörung, kann es länger dauern, bis er die Reife erlangt. Gleichzeitig spielt die Lebenserfahrung gerade bei Menschen mit normaler oder neurotischer Persönlichkeitsorganisation eine wichtige Rolle.
Freud sagte, er würde nicht über die Liebe schreiben, bis sie für ihn kein Problem mehr sei. Aber eigentlich hat er nichts geschrieben. Also hat er das Problem nicht gelöst.
Auf jeden Fall sollte man nicht denken, dass reife sexuelle Liebe eine Beziehung ist, die nur Menschen über 30 oder 40 Jahren zugänglich ist. Solche Beziehungen sind selbst für 20-Jährige durchaus zugänglich. Einmal bemerkte ich, dass der Grad der persönlichen Pathologie jedes Partners es nicht erlaubt, vorherzusagen, wie sich ihr gemeinsames Leben entwickeln wird. Es kommt vor, dass zwei absolut gesunde Menschen miteinander verbunden sind, und das ist eine echte Hölle. Und manchmal haben beide Partner schwere Persönlichkeitsstörungen, aber eine tolle Beziehung!
Welche Rolle spielt die Erfahrung des Zusammenlebens mit einem Partner? Können drei gescheiterte Ehen „gemeinsam“ die nötige Erfahrung liefern, die zur reifen sexuellen Liebe führt?
OK.:
Ich denke, wenn ein Mensch lernen kann, dann zieht er auch seine Lehren aus Misserfolgen. Daher können ihm sogar erfolglose Ehen helfen, reifer zu werden. Und den Erfolg in einer neuen Partnerschaft sichern. Aber wenn eine Person ernsthafte psychische Schwierigkeiten hat, dann lernt sie nichts, sondern macht von Ehe zu Ehe einfach die gleichen Fehler. Eine ständige Beziehung mit demselben Partner kann ebenfalls zur Erlangung einer reifen sexuellen Liebe führen. Oder sie führen nicht – ich wiederhole es noch einmal: Vieles hängt von der Art der psychologischen Organisation des Einzelnen ab.
Welche neuen Dinge wissen Sie über Liebe und Sexualität, die zum Beispiel Freud nicht wusste oder nicht wissen konnte?
OK.:
Wir müssen damit beginnen, dass wir nicht sehr gut verstehen, was Freud wusste und was nicht. Er selbst sagte, er wolle nicht über die Liebe schreiben, bis sie kein Problem mehr für ihn sei. Aber eigentlich hat er nichts geschrieben. Daraus können wir schließen, dass er dieses Problem sein ganzes Leben lang nicht gelöst hat. Man sollte ihm das nicht vorwerfen: Das ist schließlich sehr menschlich und überhaupt nicht überraschend. Sehr viele Menschen können dieses Problem ihr ganzes Leben lang nicht lösen.
Aber aus wissenschaftlicher Sicht wissen wir heute viel mehr über die Liebe als Freud. Er glaubte zum Beispiel, dass wir durch die Investition von Libido in Liebesbeziehungen ihre „Reserven“ aufbrauchen. Das ist eine tiefe Täuschung. Libido ist nicht Öl oder Kohle, damit ihre "Reserven" aufgebraucht werden können. Indem wir in Beziehungen investieren, bereichern wir uns gleichzeitig.
Freud glaubte, dass das Über-Ich bei Frauen nicht so ausgeprägt ist wie bei Männern. Auch das ist ein Fehler. Freud dachte, dass Penisneid eine starke Kraft ist, die Frauen beeinflusst. Und das ist wahr, aber auch Männer sind vom Neid auf die weibliche Natur betroffen, und Freud ignorierte dies. Mit einem Wort, die Psychoanalyse ist all die Jahre nicht stehengeblieben.
Sie argumentieren, dass die Freiheit in einer reifen sexuellen Beziehung es Ihnen erlaubt, Ihren Partner als Objekt zu behandeln.
OK.:
Ich meine nur, dass im Rahmen einer gesunden, harmonischen sexuellen Beziehung alle Impulse der Sexualität einbezogen werden können: Manifestationen von Sadismus, Masochismus, Voyeurismus, Exhibitionismus, Fetischismus und so weiter. Und der Partner wird zum Objekt der Befriedigung dieser sadistischen oder masochistischen Bestrebungen. Das ist absolut natürlich, sexuelle Impulse beinhalten immer eine Mischung aus erotischen und aggressiven Komponenten.
Es ist nur wichtig, sich daran zu erinnern, dass in einer reifen Beziehung der Partner, der zum Objekt dieser Impulse wird, ihrer Manifestation zustimmt und genießt, was passiert. Ansonsten muss natürlich nicht über reife Liebe gesprochen werden.
Was wünscht man einem jungen Paar am Vorabend der Hochzeit?
OK.:
Ich würde ihnen wünschen, dass sie sich und einander amüsieren. Beschränken Sie sich nicht auf aufgezwungene Vorstellungen darüber, was beim Sex richtig und falsch ist, haben Sie keine Angst, zu phantasieren, Vergnügen zu suchen und zu finden. Darüber hinaus ist es wichtig, dass ihr tägliches Leben auf dem Zusammentreffen von Wünschen basiert. Damit sie Verantwortung teilen können, gemeinsam die vor ihnen liegenden Aufgaben lösen.
Und schließlich wäre es schön, wenn ihre Wertesysteme zumindest nicht in Konflikt geraten würden. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie bei der Präsidentschaftswahl denselben Kandidaten wählen müssen. Viel wichtiger ist, dass sie ähnliche Vorstellungen von Gut und Böse und spirituellen Bestrebungen haben. Sie können die Grundlage für ein gemeinsames Wertesystem werden, für eine kollektive Moral auf der Ebene eines bestimmten Paares. Und das ist die zuverlässigste Grundlage für starke Partnerschaften und deren zuverlässigsten Schutz.
9 Zeichen reifer Liebe
Wie kann man herausfinden, wie erfolgreich die Beziehung in unserem Paar ist? Hier sind neun Merkmale reifer Liebe, die der Psychoanalytiker Otto Kernberg nennt.
- Interesse am Lebensplan des Partners (ohne destruktiven Neid).
- Urvertrauen: Die gegenseitige Fähigkeit, offen und ehrlich zu sein, auch über die eigenen Unzulänglichkeiten.
- Die Fähigkeit zu wahrer Vergebung im Gegensatz zu masochistischer Unterwerfung und Verleugnung von Aggression.
- Demut und Dankbarkeit.
- Gemeinsame Ideale als Grundlage des Zusammenlebens.
- reife Sucht; die Fähigkeit, Hilfe anzunehmen (ohne Scham, Angst oder Schuldgefühle) und Hilfe zu leisten; eine gerechte Verteilung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten - im Gegensatz zu Machtkampf, Anschuldigungen und der Suche nach richtig und falsch, die zu gegenseitiger Enttäuschung führen.
- Beständigkeit der sexuellen Leidenschaft. Liebe füreinander, trotz körperlicher Veränderungen und körperlicher Defekte.
- Anerkennung der Unausweichlichkeit von Verlust, Eifersucht und der Notwendigkeit, die Grenzen des Paares zu wahren. Zu verstehen, dass andere uns nicht so lieben können, wie wir sie lieben.
- Liebe und Trauer: Im Falle des Todes oder der Abreise eines Partners ermöglicht uns der Verlust, seinen Platz in unserem Leben vollständig zu verstehen, was dazu führt, eine neue Liebe ohne Schuldgefühle anzunehmen.
Über den Experten
Otto Friedmann Kernberg, M.D., ehemaliger Präsident der International Psychoanalytic Association, Trainer Analyst und Supervisor am Columbia University Center for Psychoanalytic Training and Research (USA), Professor für Psychiatrie an der Cornell University und Direktor des Westchester Institute for Personality Disorders. Autor und Co-Autor von 30 Büchern. Einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Borderline-Persönlichkeitsstörungen. Schöpfer der modernen psychoanalytischen Persönlichkeitstheorie. Er studierte die Themen des pathologischen Narzissmus sowie Aggression, Destruktivität, Liebe und Sexualität unter normalen und pathologischen Bedingungen. Seine Arbeit wurde in viele Lehrbücher über Psychologie und Psychotherapie aufgenommen.
Wir danken den Organisatoren des Otto-Kernberg-Seminars in Moskau:
Eine Gruppe von Psy-Event-Partnern und persönlich Konstantin Gutman.
Das Buch des promovierten Mediziners Otto Kernberg, eines der maßgeblichsten modernen Psychoanalytiker, widmet sich dem Liebesverhältnis in Norm und Pathologie. Anhand von theoretischen Positionen und praktischen Fallbeispielen geht der Autor der Frage nach, wie unbewusste Erfahrungen und Fantasien in der Vergangenheit einen starken Einfluss auf die heutige Paarbeziehung haben. Wie verschlungen Liebe und Aggression im Leben eines Paares interagieren. Wie man leidenschaftliche Liebe in einer langfristigen Beziehung bewahrt. Wie das soziale Umfeld Liebesbeziehungen beeinflusst... Diese tiefgreifende klinische und theoretische Studie wird zweifellos das Interesse von Spezialisten wecken - Psychologen, Psychotherapeuten, Ärzte, Lehrer.
Otto F. KERNBERG
LIEBESBEZIEHUNGEN:
Norm und Pathologie
ALLES GEHT UM DIE GEHEIMNISSE DER LIEBE
Ach, wenn ich nur könnte
Obwohl teilweise
Ich würde acht Zeilen schreiben
Über die Eigenschaften der Leidenschaft.
B. Pasternak
Wir sind sehr weit entfernt von Otto Kernberg, einer der prominentesten Persönlichkeiten der zeitgenössischen Psychoanalyse. Er wurde zu Lebzeiten zum Klassiker, entwickelte einen neuen Ansatz innerhalb der Psychoanalyse und einen neuen Ansatz zur Behandlung von Patienten mit narzisstischen und Borderline-Persönlichkeitsstörungen, sein Werk fand Eingang in alle Lehrbücher. Er ist der derzeitige Präsident der IPA, der einflussreichsten und angesehensten psychoanalytischen Organisation der Welt, deren Mitgliedschaft der blaue Traum aller in der Psychoanalyse tätigen russischen Psychotherapeuten ist. Wir sind so weit von Kernberg entfernt, dass wir uns im Vorwort vielleicht einige Freiheiten nehmen können. Darüber hinaus gab A. Uskov in den einleitenden Bemerkungen zu Kernbergs Monographie Aggression in Personality Disorders and Perversions, die zuvor von Klass veröffentlicht wurde, einen ziemlich vollständigen Überblick über Otto Kernbergs Beitrag zur Psychoanalyse.
Man kann sich vorstellen, dass Kernberg nach der Aggressionsarbeit so oft wiederholte: „Ist es schwach in der Liebe?“ Dass er zeigen wollte: nein, es ist nicht schwach, und zwar so sehr, dass man jetzt kein Wort darüber schreiben kann lieben, ohne sich auf mich zu beziehen.
Es ist bekannt, dass Liebe schwieriger auszudrücken ist als Aggression. Laut Kernberg dauert es viele Jahre, bis ein Mensch die Phase der reifen sexuellen Liebe erreicht, was mit ein Grund dafür sein mag, dass er sein Buch mit fast siebzig Jahren geschrieben hat. Und wie! Mehr als zweihundert Seiten über die Eigenschaften der Leidenschaft ... Nachdem ich eingangs den Vorbehalt gemacht hatte, dass Dichter und Philosophen die menschliche Liebe natürlich besser beschrieben haben, als es mit Hilfe irgendeiner psychoanalytischen Forschung möglich ist, Kernberg dann, wie es ist waren, Herausforderungen - und beschreibt alle geheimen Nuancen von Liebesbeziehungen. So erkennen wir in seinem Text, wie in guter Poesie, unsere eigene intimste Erfahrung. Es wird einfach unangenehm und sogar irgendwie anstößig - was wie ein kostbares einzigartiges Erlebnis erschien, das einem unverdient vom Schicksal geschenkt wurde, wenn es einem den Atem raubt und man denkt: Ist das wirklich passiert, haben andere Menschen so etwas auch schon erlebt? - wird in einem wissenschaftlichen Buch besser beschrieben, als man es selbst könnte, und es wird auch gesondert erklärt, warum es typisch ist.
Und Sie bleiben ratlos: Was machen Sie jetzt mit all diesem Wissen? Ja, es ist einfacher zu verstehen, was mit Patienten passiert. Aber wie soll man nun lieben und noch mehr lieben, wenn jede spirituelle Bewegung seziert, klassifiziert, nummeriert ist und auch mehrere Erklärungen dafür hat, woher sie kommt?
Als würde er eine solche Reaktion der Leser voraussehen, schreibt Kernberg: „Die Aktivierung einer mächtigen und komplexen Gegenübertragung, die in der Arbeit gehalten und angewendet wird, ist ein einzigartiges Merkmal der psychoanalytischen Situation, das nur dank des Schutzes möglich ist, der durch den Rahmen der Psychoanalytische Beziehung Eine Art ironische Bestätigung der Einzigartigkeit des Erlebens einer solchen Erfahrung in der Gegenübertragung ist, dass Psychoanalytiker zwar eine außergewöhnliche Gelegenheit haben, das Liebesleben des anderen Geschlechts zu erforschen, dieses Wissen und diese Erfahrung jedoch dazu neigt, zu verschwinden, sobald es dazu kommt die eigenen Erfahrungen mit Beziehungen zum anderen Geschlecht außerhalb der psychoanalytischen Situation zu verstehen, wie andere Sterbliche.“
Und nun ein paar prosaische Worte zu den eigentlichen Vorzügen des Buches. Kernberg behandelt ausführlich die vorhandene Literatur zu diesem Thema, und zwar von einer Vielzahl von Autoren, die ihm nicht nur im Geiste nahe stehen. Mutig und manchmal auf originellste Weise verbindet er Ideen, die auf den ersten Blick ganz unterschiedliche Herangehensweisen an die beschriebenen Phänomene zum Ausdruck bringen.
In Anbetracht der Liebesbeziehung in Norm und Pathologie zeigt er, wie die individuellen Pathologien der Partner "eingreifen" und in einigen Fällen eine Pathologie des Paares schaffen, die nicht ihre einfache Auferlegung ist. In Liebesbeziehungen kann die zugrunde liegende Psychopathologie behoben oder gelöst werden. Darüber hinaus wird die bestehende Psychopathologie durch die Bemühungen beider Partner oft als etwas anderes getarnt. Souverän und unerschrocken schreibt Kernberg über das Geheimnis der Aufrechterhaltung leidenschaftlicher Liebe in langjährigen Beziehungen: In der reifen sexuellen Liebe findet der Mensch eine Form zur Erfüllung all seiner kindlichen sexuellen Fantasien.
Der soziale Aspekt des von Kernberg betrachteten Themas ist sehr interessant. Die Themen Paar und Gruppe, Paar und Gesellschaft, das Sexuelle als anfänglicher Gegensatz zum Konventionellen und Sozialen, sind häufiger in Romanen zu hören als in der psychologischen und psychoanalytischen Literatur. Interessant wird sicher auch das Kapitel zur Darstellung von Liebesbeziehungen im modernen Kino. jeder zum Leser.
Dieses Buch ist definitiv nicht leicht zu lesen. Aber nicht, weil es schwierig zu schreiben ist, sondern wegen der extremen Reichhaltigkeit der Präsentation - viele Gedanken pro Texteinheit. Da war dieser alte Witz: "Weißt du, Faulkner ist so schwer zu lesen!" - "Ja, aber wenn du es liest, so eine Erleichterung!" Ich verspreche also keine Linderung, aber dass Sie es nicht bereuen werden, das ist sicher.
Maria Timofeeva
VORWORT
Seit Jahrhunderten ist die Liebe Gegenstand der Aufmerksamkeit von Dichtern und Philosophen. Kürzlich haben sich ihnen Soziologen und Psychologen angeschlossen. Aber die psychoanalytische Literatur schenkt der Liebe immer noch erstaunlich wenig Aufmerksamkeit.
Ich versuchte immer wieder, die Natur der Liebe zu studieren, und erkannte, dass es unmöglich ist, die Verbindung mit Erotik und Sexualität zu vermeiden. Es zeigte sich, dass die sexuelle Reaktion in den meisten Arbeiten aus biologischer Sicht betrachtet wird und nur in wenigen als subjektives Erleben bezeichnet wird. Als ich diesen subjektiven Aspekt in meiner Arbeit mit Patienten erforschte, fand ich mich in voller Übereinstimmung mit Freuds Sichtweise mit unbewussten Phantasien auseinander, deren Ursprung in der infantilen Sexualität liegen. Aus klinischer Erfahrung hat sich herausgestellt, dass das Paar durch gegenseitige projektive Identifizierung ihre vergangenen „Drehbücher“ (unbewusste Erfahrungen und Fantasien) in ihrer Beziehung „ausspielt“ und dass Fantasie und reale gegenseitige „Belästigung“ vom infantilen Über-Ich ausgehen und das damit verbundene Selbstideal, haben einen starken Einfluss auf das Leben eines Paares.
Ich habe festgestellt, dass es fast unmöglich ist, das Schicksal von Liebesbeziehungen und der Ehe auf der Grundlage der Merkmale der Psychopathologie des Patienten vorherzusagen. Manchmal tragen unterschiedliche Formen und Grade der Psychopathologie bei Partnern zu ihrer Kompatibilität bei; andernfalls können Unterschiede zu Inkompatibilität führen. Fragen wie "Was hält ein Paar zusammen?" oder „Was ruiniert eine Beziehung?“ verfolgte mich und veranlasste mich, die Dynamik hinter der beobachteten Beziehungsentwicklung des Paares zu untersuchen.
Meine Ausgangsdaten waren die Behandlung von Patienten durch Psychoanalyse und psychoanalytische Therapie, die Beobachtung und Behandlung von Paaren, die unter Ehekonflikten leiden, und insbesondere die Längsschnittstudie von Paaren durch das Prisma der Psychoanalyse und der individuellen psychoanalytischen Psychotherapie.
Ökologie des Bewusstseins: Psychologie. Otto Kernberg verblüffte mit einem Buch über Liebe und Sexualität. Das Verständnis der subtilen Nuancen dieser heiklen Beziehungen kann nicht nur von seinen Psychologenkollegen, sondern vielleicht auch von Dichtern beneidet werden.
Otto Kernberg schuf eine moderne psychoanalytische Persönlichkeitstheorie und seine eigene psychoanalytische Methode, schlug einen neuen Ansatz zur Behandlung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen und einen neuen Blick auf den Narzissmus vor. Und dann änderte er plötzlich die Forschungsrichtung und verblüffte alle mit einem Buch über Liebe und Sexualität. Das Verständnis der subtilen Nuancen dieser heiklen Beziehungen kann nicht nur von seinen Psychologenkollegen, sondern vielleicht auch von Dichtern beneidet werden.
Neun Merkmale reifer Liebe von Otto Kernberg
1. Interesse an der Lebensplanung Ihres Partners(ohne destruktiven Neid).
2.Grundlegendes Vertrauen: die gegenseitige Fähigkeit, offen und ehrlich zu sein, auch über die eigenen Mängel.
3. Die Fähigkeit, wirklich zu vergeben, im Gegensatz zu masochistischer Unterwerfung und Aggressionsverleugnung.
4. Bescheidenheit und Dankbarkeit.
5. Gemeinsame Ideale als Grundlage des Zusammenlebens.
6. reife Sucht; die Fähigkeit, Hilfe anzunehmen (ohne Scham, Angst oder Schuldgefühle) und Hilfe zu leisten; eine gerechte Verteilung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten - im Gegensatz zu Machtkampf, Anschuldigungen und der Suche nach richtig und falsch, die zu gegenseitiger Enttäuschung führen.
7. Beständigkeit der sexuellen Leidenschaft. Liebe füreinander, trotz körperlicher Veränderungen und körperlicher Defekte.
8. Anerkennung der Unausweichlichkeit von Verlust, Eifersucht und der Notwendigkeit, die Grenzen des Paares zu schützen. Zu verstehen, dass andere uns nicht so lieben können, wie wir sie lieben.
9. Liebe und Trauer: Im Falle des Todes oder der Abreise eines Partners ermöglicht uns der Verlust, vollständig zu verstehen, welchen Platz er in unserem Leben eingenommen hat, was dazu führt, dass wir eine neue Liebe ohne Schuld annehmen.veröffentlicht . Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, stellen Sie diese an Spezialisten und Leser unseres Projekts
Otto F. Kernberg (*1928) ist einer der größten und bekanntesten aktiven Psychoanalytiker. Der in Wien geborene Kernberg floh 1939 mit seiner Familie aus Nazideutschland nach Chile. Er studierte Biologie und Medizin und anschließend Psychiatrie und Psychoanalyse an der Chilenischen Psychoanalytischen Gesellschaft.
Das erste Mal, dass Kernberg in die USA kam, war 1959 zu einem Treffen der Rockefeller Foundation, um mit Jerome Frank am Johns Hopkins Hospital über Psychotherapie zu forschen. 1961 emigrierte er in die USA und begann an der Menninger Clinic zu arbeiten, später wurde er Direktor des Krankenhauses.
Er wurde auch Supervisor und Lehranalytiker am Topeka Institute for Psychoanalysis und Direktor der Psychotherapieforschung bei der Menninger Foundation.
1973 zog Kernberg nach New York, wo er Direktor der klinischen Abteilung des New York State Psychiatric Institute wurde. 1974 wurde er Professor für klinische Psychiatrie an der Columbia University und Supervisor und Lehranalytiker am Zentrum für psychoanalytische Ausbildung und Forschung der Universität. 1976 wurde er Professor für Psychiatrie an der Cornwall University und Direktor des Instituts für Persönlichkeitsstörungen am New Yorker Krankenhaus des Cornell Medical Center. Otto Kernberg war von 1997 bis 2001 Präsident der International Psychoanalytic Association.
Otto Kernberg ist einer der größten Spezialisten auf dem Gebiet der schweren Persönlichkeitsstörungen, die in der „Lücke“ zwischen Neurose und Psychose liegen und auch durch sein persönliches Wirken einer psychoanalytischen Behandlung zugänglich geworden sind. Eine der Möglichkeiten, das klinische Spektrum der Psychoanalyse, insbesondere ihre Anwendung bei Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen, zu erweitern, war die von Kernberg entwickelte psychoanalytische Ausdruckspsychotherapie, die es ermöglichte, in der Behandlung solcher Patienten durch Abweichungen gute Ergebnisse zu erzielen einige Parameter der klassischen psychoanalytischen Technik.
Er entwickelte eine moderne psychoanalytische Persönlichkeitstheorie, die kurz aussagt, dass das „Ich“ eines Menschen aus verschiedenen Repräsentationen (Bildern, Manifestationen) seiner selbst und seiner Objekte (vor allem nahestehende Menschen) und den sie verbindenden affektiven Zuständen besteht.
Kernberg interessiert sich sehr für die Fragen des pathologischen Narzissmus, der für ihn neben den drei genannten zuweilen zu einer eigenen Strukturkategorie der Pathologie wird. Er interessiert sich auch für Fragen von Aggression, Destruktivität und Hass und gleichzeitig Liebe und Sexualität unter normalen und pathologischen Bedingungen. Er beschäftigt sich auch mit der Klassifikation psychischer Störungen.
Otto Kernberg wurde zu Lebzeiten zum Klassiker, entwickelte einen neuen Ansatz innerhalb der Psychoanalyse und einen neuen Ansatz zur Behandlung von Patienten mit narzisstischen und Borderline-Persönlichkeitsstörungen, sein Werk fand Eingang in alle Lehrbücher.
Bücher (4)
Aggression bei Persönlichkeitsstörungen
In diesem Buch präsentiere ich die neuesten Ergebnisse meiner fortlaufenden Forschung zu Ursprung, Natur und Behandlung von Persönlichkeitsstörungen. Im Mittelpunkt dieser Studien steht das Verständnis der Dynamik von grob pathologischem menschlichem Verhalten.
Daher beginnt mein Buch mit einer Darstellung der psychoanalytischen Motivationstheorie, insbesondere in Bezug auf Aggression.
Beziehungen der Liebe. Norm und Pathologie
Das Buch des promovierten Mediziners Otto Kernberg, eines der maßgeblichsten modernen Psychoanalytiker, widmet sich dem Liebesverhältnis in Norm und Pathologie. Anhand von theoretischen Positionen und praktischen Fallbeispielen geht der Autor der Frage nach, wie unbewusste Erfahrungen und Fantasien in der Vergangenheit einen starken Einfluss auf die heutige Paarbeziehung haben. Wie verschlungen Liebe und Aggression im Leben eines Paares interagieren. Wie man leidenschaftliche Liebe in einer langfristigen Beziehung bewahrt. Wie wirkt sich das soziale Umfeld auf die Liebesbeziehung aus ...
Diese tiefe klinische und theoretische Studie wird zweifellos das Interesse von Spezialisten wecken - Psychologen, Psychotherapeuten, Ärzte, Lehrer.
Borderline-Zustände müssen einerseits von Neurosen und neurotischen Charakterpathologien und andererseits von Psychosen, insbesondere Schizophrenie und schweren affektiven Psychosen, abgegrenzt werden.
SCHWER PERSÖNLICH
STÖRUNGEN
Psychotherapeutische Strategien
Übersetzung aus dem Englischen von M.I. Zavalova
bearbeitet von M. N. Timofeeva
OttoF. Kernberg
SCHWERE PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNGEN
Moskau
Unabhängige Firma "Klasse"
Kernberg O.F.
K74 Schwere Persönlichkeitsstörungen: Psychotherapie-Strategien / Per. aus dem Englischen. MI Zavalova. - M.: Unabhängige Firma "Class", 2000. - 464 p. - (Bibliothek für Psychologie und Psychotherapie, Heft 81).
ISBN 5-86375-024-3 (RF)
Wie man schwierige Fälle diagnostiziert, welche Art von Psychotherapie für den Patienten indiziert ist, wie man mit Blockaden und besonders schwierigen Situationen in der Therapie umgeht, ob der Patient stationär behandelt werden muss und wie das umgebende Sozialsystem ihn beeinflusst - das sind einige der Probleme, die in Detail, auf dem Stand der Technik, beschrieben im Buch des Präsidenten der International Psychoanalytic Association, Otto F. Kernberg.
Diese Arbeit richtet sich in erster Linie an Praktiker, insbesondere diejenigen, die sich mit sogenannten Borderline-Patienten befassen, die zwischen Psychose und Neurose stehen.
Chefredakteur und Serienherausgeber L.M. Kriechen
Scientific Advisor-Reihe E. L. Michailova
ISBN 0-300-05349-5 (USA)
ISBN 5-86375-024-3 (RF)
© 1996, Otto F. Kernberg
© 1994 Yale University Press
© 2000, Unabhängige Firma „Class“, Auflage, Gestaltung
© 2000, M.I. Zavalov, Übersetzung ins Russische
© 2000, M.N. Timofew, Vorwort
© 2000, V.E. Koroljow, Umschlag
www.kroll.igisp.ru
Kaufen Sie das Buch "Bei der KROL"
Das ausschließliche Recht zur Veröffentlichung in russischer Sprache gehört dem Verlag „Independent Firm „Class“. Die Veröffentlichung eines Werkes oder seiner Fragmente ohne Zustimmung des Herausgebers gilt als rechtswidrig und ist strafbar.
Integrative Psychoanalyse
Ende des zwanzigsten Jahrhunderts
Haben Sie zufällig jemanden wie Sie mit einem roten Gesicht, drei Augen und einer Totenkopfkette? - er hat gefragt.
Vielleicht, - sagte ich höflich, - aber ich kann nicht verstehen, von wem Sie sprechen. Sie wissen schon, sehr häufige Merkmale. Jeder kann es sein.
Viktor Pelevin
Dieses Buch kann als Programmwerk und sogar als Klassiker der modernen Psychoanalyse bezeichnet werden. Es wird in allen Institutionen gehalten, es ist eines der am häufigsten zitierten der Welt. Vieles scheint den Zeitgeist zu widerspiegeln:
Herangehensweise an Strukturen;
das Thema ist eine schwerere als eine neurotische Pathologie, plus besondere Aufmerksamkeit für narzisstische Störungen;
besonderes Augenmerk auf Übertragungsbeziehungen, insbesondere auf die Besonderheiten der Gegenübertragung, die sich bei der Arbeit mit Patienten unterschiedlicher Nosologien ergeben, und ihre Verwendung als zusätzliches diagnostisches, wenn nicht als Kriterium, so doch zumindest als Mittel;
und schließlich, vielleicht am wichtigsten, die Integrativität des theoretischen Ansatzes des Autors.
Wenn man ganz allgemein von verschiedenen psychoanalytischen Theorien spricht, teilt man sie oft in zwei Hauptzweige ein: Triebtheorien und Beziehungstheorien, die sich im Wesentlichen historisch parallel entwickelt haben. Bezeichnend ist, dass Otto Kernberg explizit beide Ansätze integriert. Er geht vom Vorhandensein zweier Triebe aus – Libido und Aggression, deren Aktivierung ein entsprechender affektiver Zustand ist, einschließlich verinnerlichter Objektbeziehungen, nämlich einer spezifischen Ich-Repräsentation, die in bestimmten Beziehungen zu einer spezifischen Objektrepräsentation steht. Sogar die Titel von Kernbergs zwei späteren Büchern über die beiden Hauptantriebe (bereits auf Russisch veröffentlicht) lauten Aggression [d.h. Anziehung, Trieb] bei Persönlichkeitsstörungen“ und „Liebesbeziehungen“ - zeugen von der grundsätzlichen Synthese von Triebtheorie und Beziehungstheorie, die Kernbergs Denken innewohnt. (Wir wagen dies mit einer stärkeren Betonung der Anziehung im Fall von Aggression und der Objektbeziehungen im Fall von Liebe vorzuschlagen.)
Kernberg warnt den Leser immer wieder davor, die motivationalen Aspekte der Aggression zu unterschätzen. Aus seiner Sicht vereinfachen Autoren (z. B. Kohut, verbunden mit Kernberg als seinem Gegner), die den Triebbegriff ablehnen, oft (vor allem nicht in der Theorie, sondern in der Praxis) das Seelenleben und betonen nur die positiven oder libidinösen Elemente der Befestigung:
„Es gibt auch den unausgesprochenen Glauben, dass alle Menschen von Natur aus gut sind und dass offene Kommunikation Verzerrungen in der Wahrnehmung von sich selbst und anderen beseitigt, und dass diese Verzerrungen die Hauptursache für pathologische Konflikte und strukturelle Pathologien der Psyche sind. Eine solche Philosophie leugnet die Existenz unbewusster intrapsychischer Ursachen von Aggression und steht in scharfem Kontrast zu dem, was das Personal und die Patienten selbst bei den Bewohnern einer psychiatrischen Klinik beobachten können.
Deutlich wird, dass das Thema Aggression besonders wichtig wird, wenn es um schwere psychische Störungen und deren Therapie geht. Beispielsweise kann eine Unterschätzung von Aggression und eine selbstzufrieden naive Haltung bei der Behandlung von Patienten mit einem antisozialen Persönlichkeitstyp zu tragischen Folgen führen. So ist bekannt (vgl. J. Douglas, M. Olshaker, Mindhunter. New York: Pocket Book, 1996), dass mehrere Serienmörder in den USA unter anderem aufgrund von Berichten ihrer Psychotherapeuten aus der Haft entlassen und begangen wurden ihre nächsten Morde während einer Therapie.
Beachten Sie, dass Kernberg nicht nur die Ideen praktisch allgemein anerkannter Objektbeziehungstheoretiker wie Fairbairn und Winnicott ausgiebig nutzt, sondern auch die Theorie von Melanie Klein, die außerhalb Englands viel schwieriger zu verstehen ist. Zu einem großen Teil ist es sein Verdienst, ihre Ideen in die „nicht-kleinianische“ Psychoanalyse einzubringen. Darüber hinaus stützt er sich auch auf die Arbeiten führender französischer Autoren wie A. Green und J. Chasseguet-Smirgel, entgegen der landläufigen Vorstellung von der Konfrontation zwischen amerikanischer und französischer Psychoanalyse.
In diesem Buch werden fast die berühmtesten Komponenten von Kernbergs Beitrag zur Entwicklung des psychoanalytischen Denkens skizziert: ein struktureller Ansatz für psychische Störungen; die von ihm erfundene expressive Psychotherapie, die Borderline-Patienten gezeigt wird; eine Beschreibung des bösartigen Narzissmus und schließlich das berühmte „strukturelle Kernberg-Interview“. Es ist sicherlich ein ausgezeichnetes diagnostisches Instrument, um den Grad der Pathologie eines Patienten zu bestimmen – psychotisch, Borderline oder neurotisch – und dies ist einer der wichtigsten Faktoren bei der Wahl der Art der Psychotherapie. Übrigens gibt Kernberg hier eine sehr klare Beschreibung unterstützend Psychotherapie und seine Besonderheiten. Dies scheint sehr sinnvoll zu sein, da dieser Ausdruck im Fachjargon fast seine spezifische Bedeutung verloren hat und oft negativ bewertet wird.
Ich möchte die Aufmerksamkeit des russischen Lesers auf einen weiteren Punkt lenken, der dieses Buch für uns besonders relevant macht. Die Zunahme der Zahl nicht-neurotischer (d.h. stärker gestörter) Patienten in Psychotherapie und Psychoanalyse ist typisch für die ganze Welt und hat verschiedene Gründe, aber in unserem Land ist dieser Trend aufgrund des psychischen Analphabetismus der Bevölkerung noch ausgeprägter. Leider ist es immer noch „nicht üblich“, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, und Psychotherapeuten kommen zu denen, die nicht mehr anders können, als sich umzudrehen. Die im Buch beschriebenen Patienten sind also überwiegend „unsere“ Patienten, mit denen wir am häufigsten zu tun haben.
Zusammenfassend können wir sagen: Die Lektüre dieses Buches ist ohne Zweifel einfach notwendig für alle, die mit Psychotherapie zu tun haben, und es bleibt zu bedauern, dass die Übersetzung erst jetzt erscheint. Ihr Fehlen wurde bisher als eine Art „weißer Fleck“ in der psychoanalytischen und psychotherapeutischen Literatur in russischer Sprache empfunden.
Maria Timofeeva
Meinen Eltern gewidmet
Leo und Sonja Kernberg
mein Lehrer und Freund
Dr. Carlos Whiting D'Andrian
Vorwort
Dieses Buch hat zwei Zwecke. Erstens zeigt es, wie sich die Erfahrungen und Ideen meiner bisherigen Arbeiten entwickelt und verändert haben – und hier konzentriere ich mich auf die Diagnose und Behandlung schwerer Fälle von Borderline-Pathologie und Narzissmus. Zweitens untersucht es andere neue Ansätze zu diesem Thema, die kürzlich in der klinischen Psychiatrie und Psychoanalyse aufgetaucht sind, und überprüft sie kritisch im Lichte meines derzeitigen Verständnisses. In diesem Buch habe ich versucht, meinen theoretischen Formulierungen praktischen Wert zu verleihen und für Kliniker eine bestimmte Technik zur Diagnose und Behandlung schwieriger Patienten zu entwickeln.
Deshalb versuche ich von Anfang an, einen der schwierigsten Bereiche zu klären - ich biete dem Leser eine Beschreibung eines speziellen Ansatzes zur Differentialdiagnose und eine Technik zur Durchführung eines, wie ich es nenne, strukturellen diagnostischen Interviews. Darüber hinaus identifiziere ich die Beziehung zwischen dieser Technik und den Kriterien für die Vorhersage und Auswahl der optimalen Art der Psychotherapie für jeden Fall.
Anschließend beschreibe ich detailliert die Behandlungsstrategien für Borderline-Patienten, wobei ich mich auf die schwersten Fälle konzentriere. Dieser Abschnitt des Buches enthält eine systematische Untersuchung der expressiven und der unterstützenden Psychotherapie, zwei Ansätze, die aus dem psychoanalytischen Rahmen entwickelt wurden.
In den verschiedenen Kapiteln über die Behandlung der narzisstischen Pathologie habe ich mich auf die Entwicklung einer Technik konzentriert, von der ich glaube, dass sie besonders nützlich ist, um mit schweren und tiefen Charakterwiderständen umzugehen.
Ein weiteres großes Problem ist der Umgang mit refraktären oder anderen schwierigen Patienten: Was tun, wenn sich eine Sackgasse entwickelt, wie mit einem suizidgefährdeten Patienten umzugehen; wie man versteht, ob es sich lohnt, bei einem asozialen Patienten eine Therapie anzuwenden, oder ob er unheilbar ist; Wie kann man mit einem Patienten arbeiten, dessen paranoide Übertragungsregression das Niveau einer Psychose erreicht? Diese Fragen werden im vierten Teil behandelt.
Abschließend schlage ich einen Ansatz für die Therapie im Krankenhaus vor, der auf einem leicht modifizierten Modell der therapeutischen Gemeinschaft basiert und für Patienten indiziert ist, die lange im Krankenhaus bleiben.
Dieses Buch ist weitgehend klinisch. Ich wollte Psychotherapeuten und Psychoanalytikern ein breites Spektrum spezifischer psychotherapeutischer Techniken anbieten. Gleichzeitig entwickle ich im Kontext zuverlässiger klinischer Daten meine bisherigen Theorien, meine Vorstellungen über solche Formen der Psychopathologie wie Ich-Schwäche und diffuse Identität werden durch neue Hypothesen über schwere Über-Ich-Pathologie ergänzt. Somit spiegelt die vorliegende Arbeit die modernsten Ideen der Ich-Psychologie und Objektbeziehungstheorie wider.
Meine im Vorwort erwähnten theoretischen Ideen basieren weitgehend auf den späteren Arbeiten von Edith Jacobson. Ihre Theorien sowie ihre kreative Weiterführung in den Schriften von Margaret Mahler, die die Ideen von Jacobson in der Erforschung der kindlichen Entwicklung verwendete, inspirieren mich weiterhin.
Eine kleine Gruppe wunderbarer Psychoanalytiker und meine engen Freunde hielten ständig Feedback mit mir, machten kritische Anmerkungen und leisteten jede Art von Unterstützung, was für mich von größter Bedeutung war. Besonders dankbar bin ich Dr. Ernst Tycho, mit dem ich seit 22 Jahren zusammenarbeite, und Drs. Martin Bergman, Harold Blum, Arnold Cooper, William Grossman, Donald Kaplan, Polina Kernberg und Robert Michels, die nicht nur großzügig gespendet haben mir ihre Zeit, hielt es aber auch für nötig zu argumentieren und auf fragwürdige Passagen in meinen Formulierungen hinzuweisen.
Danke an Drs. William Frosch und Richard Münich, die ihre Ansichten zu meinen Vorstellungen über Therapie im Krankenhaus und in der therapeutischen Gemeinschaft zum Ausdruck gebracht haben, und an Drs. Ann Appelbaum und Arthur Carr für die endlose Geduld, mit der sie mir geholfen haben, meine Ideen zu formulieren. Abschließend danke ich Dr. Malcolm Pines für seine Unterstützung bei meiner Kritik des Modells der therapeutischen Gemeinschaft und Dr. Robert Wallerstein für seine weise Kritik meiner Ansichten über unterstützende Psychotherapie.
Dr. Stephen Bauer, Arthur Carr, Harold Koenigsberg, John Oldham, Larence Rockland, Jesse Schomer und Michael Silzar von der New York Hospital Westchester Unit haben zur klinischen Methodik für die Differentialdiagnose der Borderline-Persönlichkeitsorganisation beigetragen. In jüngerer Zeit haben sie zusammen mit Drs. Ann Appelbaum, John Clarkin, Gretchen Haas, Pauline Kernberg und Andrew Lotterman zur Entwicklung von operativen Definitionen zur Unterscheidung zwischen expressiven und unterstützenden Therapiemodalitäten im Kontext der Borderline-Psychotherapie beigetragen Forschungsprojekt. Ich möchte allen meinen Dank aussprechen. Wie zuvor entbinde ich alle meine Freunde, Lehrer und Kollegen von der Verantwortung für ihre Ansichten.
Ich bin Mrs. Shirley Grünenthal, Miss Louise Taite und Mrs. Jane Carr für ihre unendliche Geduld beim Nachdruck, Zusammenstellen, Korrekturlesen und Zusammenstellen der unzähligen Versionen dieses Werkes zu großem Dank verpflichtet. Besonders hervorheben möchte ich die Effizienz von Frau Jane Carr, mit der wir kürzlich zusammengearbeitet haben. Miss Lillian Warow, Bibliothekarin der Westchester-Abteilung des New York Hospital, und ihre Mitarbeiterinnen, Mrs. Marilyn Botier und Mrs. Marcia Miller, waren mir bei der Auswahl der Bibliographie von unschätzbarem Wert. Schließlich hat Miss Anna-Mae Artim, meine Verwaltungsassistentin, wieder einmal das Unmögliche geschafft. Sie koordinierte die Verlagsarbeit und die Vorbereitung meiner Arbeit; Sie hat endlose potenzielle Probleme vorausgesehen und abgewendet und hat freundlich, aber bestimmt dafür gesorgt, dass wir unsere Fristen eingehalten und dieses Buch produziert haben.
Zum ersten Mal hatte ich das Privileg, mit meiner Lektorin, Frau Natalie Altman, und der leitenden Redakteurin bei Yale University Press, Frau Gladys Topkis, zusammenzuarbeiten, die mich bei meinem Bestreben anleitete, mich klar in akzeptablem Englisch auszudrücken. Im Laufe unserer Zusammenarbeit begann ich zu vermuten, dass sie viel mehr über Psychoanalyse, Psychiatrie und Psychotherapie wussten als ich. Ich kann nicht ausdrücken, wie dankbar ich den beiden bin.
